Die Beziehungen Österreich-Vietnam: Die Geschichte

(VOVWORLD) - Die vietnamesische Botschaft in Wien, der Hauptstadt Österreichs, wurde im Juli 1991 eröffnet. Dieses Jubiläum jährt sich heuer zum 30. Mal. Die Gründung der Botschaft war damals auch Ausdruck der zunehmenden Öffnung Vietnams und brachte eine Vertiefung der Beziehung der beiden Staaten mit sich. Dieser Beitrag nimmt das dreißigjährige Jubiläum zum Anlass, um die vielfältige Geschichte, die das südostasiatische und das mitteleuropäische Land miteinander verbindet, näher zu erläutern. Das bisherige historische Verhältnis ist sehr positiv und lässt auf eine friedliche und erfolgreiche gemeinsame Zukunft hoffen!
Die Anfänge im 19. Jahrhundert

Die Geschichte Vietnams und Österreichs ist aufgrund der großen geographischen Distanz naturgemäß von weniger Interaktionen geprägt als die von unmittelbaren Nachbarn. Das ist eine Chance für den Frieden, sind doch Konflikte um Territorium und Rohstoffe ausgeschlossen. Beziehungen bestehen schon seit 1869, doch waren diese zu Beginn sehr lose. Österreich bildete damals mit Ungarn ein gemeinsames Kaiserreich, seine politischen Interessen lagen aber in Europa und es gab kaum Aktivitäten in Asien. Österreich-Ungarn war damals eine europäische Großmachte, besaß als Landmacht aber keine Kolonien in anderen Erdteilen. Der Kontakt mit Vietnam wurde über ein Honorarkonsulat im damaligen Saigon gepflegt[1] und da es im 19. Jahrhundert praktisch keine in Vietnam ansässigen österreichischen Staatsangehörigen gab, setze man dort wegen der gemeinsamen Muttersprache Deutsch meist Deutsche oder Schweizer als Konsuln ein. So blieb es lange Zeit und Vietnam trat erst mehr als ein Jahrhundert später ins öffentliche Bewusstsein der Österreicher, nämlich aus Anlass des Vietnamkrieges.

Bruno Kreisky, ein österreichischer Bundeskanzler als Freund Vietnams

Der Krieg hat Vietnam tief zerrissen und verletzt. Er führte zu Menschenrechtsverletzungen, die nicht hätten geschehen dürfen. Einige Länder des westlichen Kulturkreises hatten daran leider einen Anteil, nicht aber Österreich. Die Situation Österreichs hatte sich im 20. Jahrhundert drastisch verändert. Nach zwei verlorenen Weltkriegen und seiner Neugründung im Staatsvertrag 1955 war Österreich zur Zeit des Vietnamkrieges keine europäische Großmacht und kein mit Ungarn gemeinsames Kaiserreich mehr, sondern ein Kleinstaat mit demokratischer Grundordnung. Bis heute besitzt Österreich nur eine rein defensiv ausgerichtete Armee und seine Verfassung verpflichtet es in internationalen Konflikten zur Neutralität. Es gibt im modernen Österreich aber die Idee der “aktiven Neutralitätspolitik”. Diese Idee beinhaltet, den neutralen Status weltweit für humanitäre Hilfe und unparteiische Vermittlung in Konflikten einzusetzen. Ein wichtiger Vertreter der “aktiven Neutralitätspolitik” konnte große Verdienste um Vietnam erwerben, nämlich der Staatsmann Bruno Kreisky, gestorben 1990.

Die Beziehungen Österreich-Vietnam: Die Geschichte - ảnh 1© Österreichische Post

Kreisky[2] wurde 1911 in Wien geboren. Er stammt aus einer wohlhabenden, großbürgerlichen Familie, wurde aber dennoch schon als Jugendlicher für sozialistische Jugendorganisationen politisch aktiv. Für das Engagement im Sinne seiner Überzeugung wurde er 1936 während der Herrschaft des “Austrofaschismus”, einer katholisch orientierten rechtsgerichteten Diktatur in Österreich, zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. 1938 erfolgte der sogenannte “Anschluss” Österreichs an das deutsche Reich und das rassistische Nazi-Regime übernahm die Macht. Kreisky musste ins Exil nach Schweden gehen. Dort schloss er Freundschaft mit dem späteren deutschen Bundeskanzler Willy Brandt, der ein wichtiger internationaler Verbündeter werden sollte. Nach dem 2. Weltkrieg und dem Ende des Nazi-Regimes kehrte Kreisky nach Österreich zurück und übernahm schrittweise wichtige politische Funktionen. So diente er 1951 als Vizedirektor im Kabinett des österreichischen Bundespräsidenten, wurde 1953 Staatssekretär und war von 1959 bis 1966 Außenminister der Republik Österreich. 1967 wurde er Parteivorsitzender der Sozialistischen Partei Österreichs (SPÖ) und machte sie in der Wahl 1970 zur stimmenstärksten Kraft. Bruno Kreisky war von 1970 bis 1983 österreichischer Bundeskanzler und ist damit bis heute der längstdienendste Regierungschef Österreichs. In seine Amtszeit fallen wichtige Reformen wie der Ausbau des Sozialstaates und die Modernisierung des Familienrechts. Kreisky war in großer Außenpolitiker und er trat im Nahen Osten als Vermittler auf. 1979 empfing er als erster westlicher Staatsmann den Vorsitzenden der PLO Yassir Arafat. Österreich erkannte als erstes westliches Land die PLO als Vertretung des palästinensischen Volkes an.[3]

Eine ähnliche diplomatische Pionierleistung erbrachte Kreisky in Bezug auf Vietnam. Am 1. Dezember 1972 erfolgte die Anerkennung Nordvietnams durch die Republik Österreich.[4] Dieser Schritt erforderte damals viel Mut, führte er doch zu heftigen Verstimmungen mit den USA. Das Jubiläum der Anerkennung jährt sich 2022 zum 50.Mal.

Abgesehen von Bruno Kreisky haben sich zwei weitere Österreicher besonders um Vietnam verdient gemacht, der Freiheitskämpfer Ernst Frey und der Dichter Erich Fried.

Ernst Frey, ein Österreicher im Dienste Ho Chi Minhs

Ernst Frey,[5][6] geboren 1915 in Wien, war früh im Kommunistischen Jugendverband aktiv. Um der Verfolgung durch das Nazi-Regime zu entgehen, floh er 1938 nach Paris. Aufgrund der dortigen schwierigen Situation als Flüchtling ohne Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis meldete er sich zur französischen Fremdenlegion. 1942 kam er nach Vietnam, wo er Kontakte zur dortigen Kommunistischen Partei aufbaute und dieser in Hanoi beitrat. Er trat in den Dienst der neugegründeten Volksbefreiungsarmee und konnte aufgrund seiner Erfahrung in der Fremdenlegion ihren Aufbau tatkräftig unterstützen. Beim strategisch wichtigen Pass von An Khe leitete er 1946 eine erfolgreiche Abwehrschlacht gegen die Franzosen und wurde daraufhin von General Nguyen Giap, dessen enger Vertrauter Frey in der Folge wurde, in den Rang eines Oberst befördert. In Vietnam erinnern sich heute noch viele Menschen an Ernst Frey unter seinem vietnamesischen Namen “Nguyen Dan”. Nach seiner Rückkehr nach Österreich 1951 verfasste Frey ein Buch über sein spektakuläres Leben, das nach seinem Tod 1994 unter dem Titel “Vietnam, mon amour. Ein Wiener Jude im Dienste Ho Chi Minhs” publiziert wurde.

Die Beziehungen Österreich-Vietnam: Die Geschichte - ảnh 2Ernst Frey oder Nguyen Dan und Dolmetscher Nguyen Van Cau.

 Erich Fried, ein Wiener Dichter schreibt für den Frieden in Vietnam

Die Beziehungen Österreich-Vietnam: Die Geschichte - ảnh 3Cover des Erstdrucks von "und VIETNAM und".

Der österreichische Schriftsteller Erich Fried[7] wurde 1921 in Wien geboren. Er gehörte der verfolgten jüdischen Minderheit an und seine gesamte engere Familie wurde vom Nazi-Regime ermordet, nur er und seine Mutter überlebten im Exil in London. Diese traumatische Erfahrung machte ihn zu einem kritischen Schriftsteller, der für Menschlichkeit eintrat. Er besetzte nie ein politisches Amt, war aber politisch interessiert und von der Überzeugung her ein “Linker”. Fried machte sich einen Namen als begnadeter Übersetzer von Shakespeares Stücken ins Deutsche und sein Werk “Liebesgedichte” von 1979 wurde zu einem Bestseller. Der Vietnamkrieg machte ihn sehr betroffen und die von den USA begangenen Kriegsverbrechen kritisierte er sprachgewaltig in seinem berühmten Gedichtband “und Vietnam und”. Damit lenkte er die Augen der Öffentlichkeit auf die Not der vietnamesischen Bevölkerung. In Wien ist heute unter anderem ein Gymnasium nach Erich Fried benannt und der umfangreiche Nachlass des 1988 Gestorbenen wird von der Österreichischen Nationalbibliothek verwaltet.[8] Er schuf ein bleibendes humanistisches Literaturdenkmal, das Österreich und Vietnam bis heute verbindet.

Ausblick

Eine gemeinsame Geschichte ist identitätsbildend. Österreich und Vietnam habe gute Chancen, ihre bisher sehr positiven historischen Beziehungen im 21. Jahrhundert weiterzuführen. Das bevorstehende 30-jährige Jubiläum der Gründung der vietnamesischen Botschaft in Wien im Juli 2021 und das 50-jährige Jubiläum der österreichischen Anerkennung Nordvietnams im Dezember 2022 sind gute Gelegenheiten, das gemeinsame Erbe zu pflegen und der Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen.

 

Quellen:

[1] Österreichisches Außenministerium, https://www.bmeia.gv.at/oeb-hanoi/bilaterale-beziehungen/oesterreich-vietnam-chronik/

[2] Wolfgang Petritsch, Bruno Kreisky. Die Biografie. Wien 2011.

[3] Bericht des österreichischen Radiosenders Ö1, https://oe1.orf.at/artikel/267426/Kreisky-als-Aussenpolitiker

[4] Artikel in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“, https://www.diepresse.com/1318507/warum-kreisky-die-vietcong-anerkannte-und-amerika-argerte

[5] Artikel in der österreichischen Zeitschrift “Profil”, https://www.profil.at/home/der-umgekehrte-leben-wiener-juden-ernst-frey-352411

[6] Homepage der Alfred Klahr Gesellschaft, http://www.klahrgesellschaft.at/Mitteilungen/Frey_4_02.html

[7] Artikel “Erich Fried” aus Wien Geschichte Wiki, https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erich_Fried

[8] Homepage der Österreichischen Nationalbibliothek, https://www.onb.ac.at/bibliothek/sammlungen/literatur/liebeslyrik-und-streitgedichte-zum-100-geburtstag-von-erich-fried

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