Tung Qua Lin, das ist eine Gemeinde direkt an der Grenze zu China. Sie gilt als die ärmste Gemeinde im Landkreis, und liegt in der gebirgigen Provinz Lai Chau. Die meisten Bewohner hier gehören dem Volk der Mong an, einer der kleineren Volksgruppen in Vietnam. Das steile Gelände mit den vielen Steigungen macht es nicht einfach, hier zu leben und zu wirtschaften. Dazu kommt noch die ständige Gefahr durch Erdrutsche. Die Behörden und Bewohner versuchen, das Beste daraus zu machen. Der Jugendverband von VOV5 hat den dortigen Bewohnern Geschenke zum vietnamesischen Neujahr überreicht.
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Bergige Landschaft in Tung Qua Lin. |
Es ist neblig auf dem Weg von der Kleinstadt Lai Chau in Richtung Tung Qua Lin. Die Straße führt in vielen Kehren nach oben. Eigentlich sind es nur etwa 60 Kilometer, aber für diese kurze Strecke braucht das Auto zwei Stunden. Gelegentlich sind am Straßenrand kleine Häuser zu sehen, mit einem Kakibaum im Vorgarten, der rot mit Persimonen-Früchten ist. Verwaltet wird die Gegend hier vom Kreis-Beamten Nguyen Chi Thanh. Er hat sich hierher schicken lassen, weil es eine so schwierige Aufgabe ist, sagt er:
„Die Gemeinde Tung Qua Lin hat die höchste Rate armer Haushalte in der Gegend. Das Gelände ist sehr steil. Es gibt nur wenig Ackerland und das kann nicht mehr erweitert werden. Gemeinde-Behörden und Kreisverwaltung arbeiten daran, neue Getreidesorten einzuführen: Reis und Mais mit höheren Erträgen. Auch die Anbaufläche für Kardamom soll ausgeweitet werden. Das ist aktuell eine mögliche Stärke der Gemeinde. Außerdem züchten wir verstärkt Rinder. Wir haben hier über 80 Prozent Wald, und Kardamom ist eine Pflanze, die man im dichten Wald pflanzen muss, sie wächst nur unter großen Bäumen. Derzeit haben wir 86 Hektar Kardamom-Anbau. Im kommenden Jahr sollen zehn Hektar dazu kommen. Reis und Mais können wir nicht ausweiten, dazu gibt es keine Flächen.“
Kardamom ist eine Art großes, hohes Kraut, dessen Früchte und Samen als Gewürz verwendet werden. Man benutzt Kardamom in der Küche, oder um daraus ätherische Öle und Medizin zu machen. Für die Dörfer hier ist es der einzige Landwirtschaftszweig, der noch ausgebaut werden kann. Den letzten Rest des Weges zu den drei Dörfern schafft der Bus nicht. Wer hier hin will, muss laufen oder mit dem Moped fahren. Ein kleiner, betonierter Weg führt in die Dörfer. Die Bewohner wurden nach Erdrutschen hierher umgesiedelt, sagt der Kreisbeamte Thanh:
„Die Umsiedlung der drei Dörfer nach hier oben war eine richtige Entscheidung. Aber für die Bewohner bedeutet es natürlich auch neue Schwierigkeiten, vor allem für den Transport. Alles hier ist sehr hoch und steil, und die Häuser sind weit weg von den Äckern der Bewohner. Man kann hier 100 Reissäcke im Jahr ernten, aber die Kosten für den Transport nach hier oben sind sehr hoch.“
Das macht viele Waren hier oben sehr teuer – wenn sie überhaupt zu bekommen sind. Umso mehr freuen sich die Bewohner jetzt über den Besuch von der Stimme Vietnams. Die kleine Delegation des Radios hat Geschenke an arme Schüler und an bedürftige Familien dabei: Süßigkeiten, Klebreiskuchen, Speiseöl und warme Kleidung. Die 70-jährige Giang Thi Do, eine Mong aus dem Dorf Cang Ky, ist eine von denen, die Geschenke erhalten:
„Ich freue mich sehr über diese Geschenke der Stimme Vietnams. Vor zwei Jahren habe ich meinen Arm gebrochen und kann nicht mehr arbeiten. Meine Söhne müssen mich pflegen. Ich bedanke mich beim Radio für die Geschenke. Diese kann ich für das Tetfest gut brauchen.“
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Diese Ha-Nhi-Frauen bekommen gerade Geschenke von VOV5. |
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Überreichung der Geschenke an kleinen Schülern. |
Tet, das vietnamesische Neujahr, der wichtigste Feiertag des Jahres, steht kurz bevor. Am 23. Januar begrüßen die Vietnamesen das Neue Jahr, dann ist es Tradition, dass die Familien feiern, essen und trinken. Deswegen freuen sich die Mong-Schüler auch so sehr über Milch, Bonbons oder auch Hilfsgelder vom Jugendverband des Auslandskanals VOV5. Viele sind gerade einmal neun oder zehn Jahre alt, müssen aber ihren Eltern schon bei der Haus- und Feldarbeit helfen, wie Dang Thi Thanh Hue erzählt, eine Lehrerin der örtlichen Grundschule:
„Unsere Schüler sind überwiegend sehr arm. Seit der zweiten oder dritten Klasse müssen sie ihren Familien helfen. Sie sammeln Brennholz, sie kochen, sie kümmern sich um die kleinen Geschwister. Viele kommen deshalb nicht regelmäßig zum Unterricht. Morgens müssen wir oft direkt zu ihren Häusern fahren und sie zum Schulbesuch aufrufen. Manche schlafen dann noch.“
Das betrifft vor allem die Mädchen, die im Haushalt helfen müssen. Es gibt deutlich weniger Mädchen in der Schule als Jungen. Aber es gibt auch solche, die unbedingt eine höhere Schule besuchen wollen, und sich dafür ins Zeug legen. So wie Giang Do Pho. Sie gehört einer noch kleineren Volksgruppe an; den Ha Nhi. Zurzeit geht sie in die neunte Klasse:
“Meine Familie wohnt drei Kilometer von der Schule entfernt. Ich wohne deshalb in einem Internat. Ein Mal pro Woche laufe ich nach Hause. Ich möchte später gerne auf die Berufsfachschule. Dafür muss ich mich sehr anstrengen, und meine Eltern auch. Zurzeit muss ich keine Kosten zahlen für Unterricht oder Unterkunft. Und die Lehrerinnen und Lehrer kochen für uns.“
Der Staat ist daran interessiert, dass seine Schüler zur Schule gehen, betont der Gemeinde-Vorsitzende Thanh. Deswegen gibt es Unterstützungs-Angebote von Seiten der Behörden. Die jungen Menschen sollen so überredet werden, den Unterricht zu besuchen:
„Kindergarten und Grundschulen organisieren auch Klassen für Schüler, die zu weit weg von einer Schule wohnen. Für fünfjährige Kinder gibt es ein besonderes Programm: Sie können in der Schule Mittagessen, und müssen dann nicht zwei Mal am Tag hin- und zurücklaufen. So etwas hilft sehr, und es hilft auch dem Fortschritt im Unterricht. Viele können jetzt schon Lieder auf Vietnamesisch singen, wie Sie sehen.“
In der Gemeinde gibt es einen Kindergarten, eine Grundschule und eine weiterführende Schule, eine Mittelschule. Die Lehrer gehören zur Volksgruppe der Kinh, also der Mehrheitsvietnamesen. Sie wurden aus anderen Provinzen hierher geschickt. Ein schwieriger Beruf sei das, sagen sie, aber Lehrerin Dang Thi Thanh Hue fügt hinzu: Gerade deswegen liebe sie diesen Beruf. Sie ist gemeinsam mit ihrem Mann hier. Auch er ist ein Lehrer, er unterrichtet an der Mittelschule. Beide stammen eigentlich aus Hung Yen, im vietnamesischen Flachland:
„Ich arbeite hier seit 2005. Als ich hierher kam, waren die Straßen viel schlechter, es gab gar keine betonierten Straßen. Es gab auch keinen Strom. Wir mussten uns sehr anstrengen. Der Staat fördert uns allerdings mit Sonder-Programmen, uns Lehrer in den entlegenen Regionen.“
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Ein junger Redakteur von VOV5 bewundert die bergige Landschaft. |
Vietnam hat derzeit ein Programm laufen, mit dem die armen Gemeinden gezielt unterstützt werden sollen. Dazu gehört auch das Thema Bildung. Immer mehr arme Familien scheinen den Sinn von Bildung zu verstehen, und lassen ihre Kinder zur Schule gehen. Ein wichtiger, erster Schritt zur Entwicklung heraus aus der Armut. Lehrerin Thanh Hue wünscht sich jetzt vor allem eines: Dass die Kinder genug zu Essen haben, und warme Kleidung. Und dass die Lehrer sie nicht mehr zur Schule aufrufen müssen.