Unruhe in Syrien: unvorhersehbar für die Region und die Welt

(VOVWORLD) - In der Nacht zum Sonntag sind islamistische Aufständische Hajat Tahrir al-Scham nach einer mehrtägigen Großoffensive in die syrische Hauptstadt Damaskus einmarschiert und besetzten unter anderem den Präsidentenpalast. Dies löste die größte politische Änderung seit fünf Jahrzehnten in Syrien aus. Dieser Machtwechsel kann sich auch unvorhersehbar auf die Lage in der Region und in der Welt auswirken. 
Unruhe in Syrien: unvorhersehbar für die Region und die Welt  - ảnh 1Schneller Zusammenbruch der syrischen Streitkräfte wegen der Angriffe der Aufständischen in Damaskus. (Foto: AFP/VNA)
Am 27. November haben die islamistischen Aufständischen eine neue Offensive gestartet. Am Sonntagmorgen, also nur nach zehn Tagen, erklärten sie, Damaskus befreit und die Regierung des Präsidenten Baschar al-Assad gestürzt zu haben.

Unerwarteter Sturz

Der schnelle Zusammenbruch der Regierung von Präsident Baschar al-Assad überraschte alle beteiligten Parteien. Während der zehntägigen Offensive von Hajat Tahrir al-Scham (HTS) leisteten die syrischen Streitkräfte kaum Widerstand. Nach der Eroberung von Aleppo durch die Aufständischen am 30. November verlor die Regierung Assads in den folgenden Tagen schnell weitere wichtige Städte wie Hama und Homs. Am Sonntag rückten die HTS-Truppen schließlich in die Hauptstadt Damaskus ein und erlitten dabei nur wenige Verluste. Der schnelle Sturz der Regierung Assads hat mehrere Gründe. Zuerst finden die Angriffe von HTS zu einem Zeitpunkt statt, in dem die Machtbilanz im Nahen Osten viel verändert habe. Die Hisbollah im Libanon, Verbündete von Assad, hatte große Verluste beim Kampf gegen Israel erlitten. Zweitens konzentriert sich Russland, ein wichtiger Verbündeter von Syrien, derzeit auf den Konflikt in der Ukraine. Aus diesem Grund fehlte der Regierung von Assad die Unterstützung. Syrien befand sich in den vergangenen 13 Jahren in einem Bürgerkrieg. Darunter litt auch die Wirtschaft und die Armee des Landes. Dazu sagt der Experte im Nahost-Institut in den USA Ibrahim Al-Assil:

„Ich denke, der entscheidende Faktor dafür, dass die HTS die syrische Armee zurückgedrängt hat, liegt darin, dass sie ein klares Ziel hatte. Währenddessen hatte die syrische Armee kein eindeutiges Ziel, warum sie kämpfen musste.“

Die syrische Bevölkerung hat die politischen Unruhen relativ friedlich aufgenommen. Nachdem die HTS und einige verbündete bewaffnete Gruppen die Kontrolle über die Hauptstadt Damaskus übernommen hatten, wurde die Ordnung aufrechterhalten.

Unvorhersehbare Auswirkungen auf die Region

Der Machtwechsel in Syrien wird sich stark auf den Nahen Osten und die Welt auswirken. Die Informationen und Einschätzungen über die HTS sind noch relativ begrenzt. Laut dem Experten Ibrahim Al-Assil stammt die HTS aus der Terrororganisation Al-Qaida. Seit 2017 hat die HTS jedoch bedeutende Veränderungen durchgemacht, indem sie schrittweise viele extremistische Ideologien aufgegeben hat und mehrfach erklärte, eine moderne islamische Gesellschaft aufbauen zu wollen. Die Ankündigung der HTS, die Macht mit anderen Kräften in Syrien teilen zu wollen, sowie die Aufrechterhaltung von Kontakten zur Regierung von Bashar al-Assad, deuten auf einige positive Signale dieser Gruppe hin. Der Experte von Atlantic Council & American Coalition for Syria, Qutaiba Idlbi, erklärt die künftige Annäherung zum Problem in Syrien durch die USA. 

„Für die USA gibt es keine strategischen Interessen in Syrien, die größer sind als die Bekämpfung von Terrorismus, die Verhinderung der Flüchtlingswelle oder das Stoppen der iranischen Aktivitäten in Syrien, die sich auf andere Regionen ausbreiten könnten. Abgesehen von diesen Fragen haben die USA kein wirkliches Interesse daran, wie der zukünftige syrische Staat aussehen wird.“

Zahlreiche Länder in der Region haben angekündigt, Syrien bei der Stabilisierung der Lage zu helfen. Dazu sagt der UN-Syrien-Gesandte Geir Pedersen:

„Die bevorstehenden Herausforderungen sind groß. Und wir hören die besorgten und ängstlichen Stimmen. Aber dies ist der Moment, um die Gelegenheit zu ergreifen, um Syrien wiederzubeleben. Die Anstrengungen des syrischen Volkes führen zu dem Weg, ein vereintes und friedliches Land aufzubauen.“

Im ersten Vorschlag rief die Syrische Nationalkoalition, eine Organisation der politischen Oppositionskräfte Syriens im Ausland, am Sonntag dazu auf, eine 18-monatige Übergangsphase zu gestalten. Darin sollte eine neue Verfassung entworfen und allgemeine Wahlen sollten durchgeführt werden. Allerdings haben die HTS und andere Parteien in Syrien noch nicht auf diesen Vorschlag reagiert.

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