(VOVWORLD) - Angesichts der Ermordung von Anführern der Hisbollah und der Hamas in den vergangenen Tagen ist der Nahe Osten in neue Gewaltspirale geraten. Viele Experten sind der Ansicht, dass das Risiko eines umfassenden Konflikts in der Region derzeit höchstwahrscheinlich ist.
US-Außenminister, Antony Blinken. (Foto: Reuters) |
Ismail Hanija, der Politchef der Hamas, ist vor zwei Tagen im Iran getötet worden. Zuvor kam am 30. Juli Fuad Shukr, einer der wichtigsten Führer der Hisbollah im Libanon, bei einem Luftangriff der israelischen Armee auf die Hauptstadt Beirut ums Leben. Das gilt als Vergeltung für den Tod von zwölf israelischen Zivilisten bei einem Raketenangriff auf die Golanhöhen am 28. Juli.
Die Gefahr eines umfassenden Konflikts zwischen dem Iran und Israel nimmt zu
Die Ermordung von Ismail Hanija kann nach Ansicht von Beobachtern die Krise im Nahen Osten ausweiten. Einerseits verschärft der Vorfall den Konflikt zwischen Israel und der Hamas. Andererseits ist eine direkte Auseinandersetzung zwischen Israel und dem Iran höchstwahrscheinlich. Gleich nach der Tötung des Hamas-Anführers haben der oberste Führer Ali Khamenei und Präsident Massud Peseschkian des Irans gegenüber Israel eine "harte Bestrafung" angedroht.
Laut dem Nahost-Experten, Yossi Mekelberg aus dem britischen Think-Tank Chatham House muss die iranische Regierung handeln, wenn sie ihre Position in der Region festigen will. Bei einem Luftangriff auf ein Konsulargebäude der iranischen Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus im April wurden nach iranischen Angaben zwei Brigadegeneräle und fünf weitere Mitglieder der Islamischen Revolutionsgarde getötet. Der Iran hat seinen Vergeltungsschlag gegen Israel durchgeführt. Zum ersten Mal seit mehreren Jahrzehnten hat der Iran Israel mit mehr als 300 Kampfdrohnen und Raketen angegriffen. Allerdings hat der Iran seinen Großangriff zuvor angekündigt. Yossi Mekelberg sagte, die diesmaligen Vergeltungsmaßnahmen des Irans seien jedoch unvorhersehbar. US-Außenminister Antony Blinken ist derselben Meinung:
„Das Dringende jetzt ist, dass alle Parteien in den kommenden Tagen die richtigen Entscheidungen treffen. Diese Entscheidungen können die Gewalt fortsetzen oder allen betroffenen Seiten etwas Besseres bringen. Allerdings kann ich die Konsequenzen und Auswirkungen der jüngsten Ereignisse wirklich nicht vorhersagen.“
Die aktuellen Spannungen können die Verbündeten Israels in die Krise hineinziehen. In den USA fordern einige Abgeordnete, dass sich die US-Regierung auf eine militärische Intervention im Nahen Osten vorbereiten sollte, falls es zu einem großen Konflikt zwischen Israel und dem Iran kommt.
Geht eine mögliche Waffenruhe im Gazastreifen zu Ende?
Zuvor sind die Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe im Gazastreifen durch die Vermittlung von Katar, Ägypten und den USA in eine Sackgasse geraten. Erst in der vergangenen Woche wurde die Hoffnung neu entfacht, als sich die Vertreter aller Seiten zusammen in Kairo getroffen haben. Allerdings könnte die Ermordung von Ismail Hanija diesen Bemühungen ein Ende setzen. Die Direktorin des Nahost-Nordafrika-Programms bei dem britischen Think-Tank Chatham House, Sanam Vakil, erklärte:
„Die Ermordung von Ismail Hanija wird sicher den Verhandlungen über einen Waffenstillstand schaden, weil die Parteien in eine Phase der Spannungen zurückkehren. Derzeit sehe ich keine vielversprechende langfristige Lösung in naher Zukunft.“
Laut Sanam Vakil hat Israel vor kurzem wichtige strategische Änderungen gemacht. Anstatt der Konzentration auf die Waffenruhe und den Austausch der Geiseln mit der Hamas im Gazastreifen bereite Israel sich auf die Bekämpfung der Sicherheitsherausforderungen in der Region, besonders aus dem Iran vor. Deswegen müssten die westlichen Verbündeten Israel auch anders behandeln. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, hat in einer Erklärung am Donnerstag die Eskalation des Konflikts im Nahen Osten nicht ausgeschlossen. Aber die US-Regierung setze alle diplomatischen und militärischen Mittel ein, um dieses Risiko zu verhindern, sagte er.