NATO-Gipfel und die Frage hinter der US-Sicherheitspolitik

(VOVWORLD) - Der NATO-Gipfel findet am 24. und 25. Juni in Den Haag statt. Er wird überschattet durch Druck auf höhere Verteidigungsausgaben, Zweifel an der Sicherheitsverpflichtung der USA gegenüber Europa sowie durch die US-Politik für die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten
NATO-Gipfel und die Frage hinter der US-Sicherheitspolitik - ảnh 1NATO-Generalsekretär Mark Rutte auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des Gipfels. (Foto: REUTERS/Yves Herman)

In Den Haag versammeln sich die Regierungschefs aller 32 NATO-Mitgliedstaaten. Erstmals nimmt US-Präsident Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit daran teil.

Fünf-Prozent-Ziel
Am Montag, einen Tag vor Beginn des NATO-Gipfels, verkündete NATO-Generalsekretär Mark Rutte, dass sich alle Mitgliedstaaten auf neue Verteidigungsausgaben von insgesamt 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geeinigt hätten: davon 3,5 Prozent für reine Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent für Infrastruktur und verwandte Dienste. Dieser Konsens wurde erreicht, nachdem Spanien, also der stärkste Gegner der Fünf‑Prozent-Marke, dem Druck der USA und anderer NATO-Staaten, vor allem aus Mittel- und Osteuropa, nachgab. Zuvor hatte Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez das Ziel als „nicht nur unvernünftig, sondern auch kontraproduktiv“kritisiert.

Dieser historische Konsens erfüllt eine der wichtigsten Forderungen der Trump-Regierung: seit seiner ersten Amtszeit drängte sie auf eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Beobachter gehen davon aus, dass dieses Ergebnis theoretisch Trump zufrieden stellen könnte und so dem NATO-Gipfel einen gelungenen Start verschafft. Allerdings warnte Max Bergmann, Direktor des Europa‑, Russland‑ und Eurasien–Programms am Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington, dass gerade das Fünf‑Prozent-Ziel den USA den Rückzug aus der Europäischen Sicherheitspolitik erleichtern könnte.

„Die Europäer denken, mehr Verteidigungsausgaben würden Trump zufriedenstellen und US-Truppen in Europa halten. Tatsächlich aber könnten Trump und seine Regierung argumentieren, Europa übernehme schließlich gemeinsam Verantwortung in der Verteidigung, und die USA könnten ihre Präsenz in Europa und global verringern.“

Ein weiteres Problem ist die realistische Erreichbarkeit des Fünf‑Prozent-Ziels angesichts der unterschiedlichen finanziellen Kapazitäten der Mitgliedstaaten, so die Analystin Iana Maisuradze aus dem Europäischen Politikzentrum (EPC) in Brüssel:

„Der Test wird der Fahrplan zur Umsetzung des Ausgabe-Ziels von fünf Prozent sein. Ob 2030, 2032 oder 2035 – das hängt davon ab, wie viel und wie lange jedes Land investieren kann.“

Ukraine- und Nahost‑Fragen
Neben internen Fragen der NATO rücken auch der Russland-Ukraine-Konflikt, der Konflikt zwischen Israel und dem Iran und die Rolle der USA im Nahen Osten in den Mittelpunkt. Beim Russland-Ukraine-Konflikt gibt es wachsende Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und anderen NATO-Staaten, etwa in Bezug auf den Druck auf Russland oder zusätzliche Unterstützung für die Ukraine. Viele NATO-Vertreter betonen, dass der Beitritt der Ukraine unumkehrbar sei. US-Führungskräfte, darunter Trump, lehnen das jedoch wiederholt ab. Zugleich verringern die USA ihre finanzielle und militärische Unterstützung für die Ukraine, während NATO-Generalsekretär Rutte zusicherte, dass die NATO in diesem Jahr 40 Milliarden US-Dollar Hilfe für die Ukraine leisten werde. Bemerkenswert haben die EU und Kanada am Montag kurz vor dem NATO-Gipfel ein eigenes Abkommen zur Militärkooperation unterzeichnet. Das heißt, dass andere wichtige NATO-Staaten angesichts unsicherer US-Politik eigene Wege suchen.

Im Nahost-Konflikt zwischen Israel und dem Iran fällt es den europäischen NATO-Staaten zunehmend schwer, US-Entscheidungen zu beeinflussen oder ihre eigene Rolle zu definieren. Laut Beatrice de Graaf, der Expertin für Sicherheit und Terrorismus an der Universität Utrecht, bemühen sich europäische Führungskräfte darum, die US-Politik in der Region nicht offen zu kritisieren. Zum einen aus Rücksicht auf die transatlantische Einheit, zum anderen um diplomatische Spielräume in der Iran-Frage zu erhalten.

„Ich habe den Eindruck, die europäischen Führungskräfte wollen die USA in den Prozess einbeziehen, Druck auf den Iran ausüben, aber gleichzeitig einen diplomatischen Weg offenhalten. Der britische Premierminister Keir Starmer und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagten, man müsse mit dem Iran reden, und sie sind auf dem richtigen Weg. Damit könnten die Europäer erneut den diplomatischen Weg beleben.“

Die europäischen diplomatischen Bemühungen gegenüber dem Iran wurden bereits am vergangenen Wochenende mit einem Treffen der Außenminister Deutschlands, Großbritanniens und Frankreichs mit dem iranischen Außenminister in Genf gestartet. Angetrieben wurde dies zuletzt auch durch Trumps Ankündigung kurz vor dem NATO-Gipfel, dass Israel und der Iran eine vollständige Waffenruhe akzeptiert hätten und die USA auf eine dauerhafte diplomatische Lösung mit dem Iran setzen wollen.

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