Parlamentswahlen verändern das politische Bild in Europa

(VOVWORLD) - Die diesjährige Europawahl, die vom 6. bis zum 9. Juni stattfand, hat den Sieg rechter Parteien, darunter auch den starken Aufstieg rechtsextremer Parteien, verzeichnet. Dieses Ergebnis könnte viele wichtige Richtlinien der Europäischen Union stark beeinflussen und gleichzeitig die Machtverhältnisse in vielen Mitgliedstaaten verändern.
Parlamentswahlen verändern das politische Bild in Europa - ảnh 1Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei den Europäischen Parlamentswahlen. (Foto: AFP)

Die Wahl zum Europäischen Parlament für die Amtsperiode 2024-2029 gilt als die wichtigste Wahl für die Europäische Union in den vergangenen 25 Jahren. Mehr als 51 Prozent der insgesamt 360 Millionen Wähler in 27 EU-Ländern beteiligten sich an der Wahl, was die höchste Quote seit 20 Jahren darstellt. 

Der Sieg der rechten Parteien

Die am 11. Juni veröffentlichten vorläufigen Ergebnisse zeigten, dass die rechte Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) mit 186 Sitzen immer noch die stärkste politische Kraft im Europäischen Parlament (EP) nächster Amtsperiode ist. Zusammen mit anderen rechten und zentristischen Parteien wie Allianz der Sozialdemokraten (S&D) und die Renew Europe (RE) gewannen die rechten Parteien insgesamt 400 von 720 Sitzen im EP und übertrafen damit die erforderliche Mehrheit, um weiterhin eine führende Rolle im EP zu spielen.

Das bemerkenswerteste Zeichen bei der diesjährigen Europawahl ist jedoch der starke Aufstieg rechtsextremer Parteien, insbesondere in den beiden führenden EU-Ländern Frankreich und Deutschland. In Frankreich gewann die rechtsextreme Partei National Rally (RN) unter der Führung von Jordan Bardella mehr als 31 Prozent der Stimmen, mehr als doppelt so viele Stimmen wie die Renaissance-Partei von Präsident Emmanuel Macron. In Deutschland erreichte die rechtsextreme Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) ebenfalls 16 Prozent der Stimmen, belegte damit den zweiten Platz und übertraf alle drei Parteien in der Koalitionsregierung des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz.

Der Aufstieg der Rechten, insbesondere rechtsextremer und populistischer Parteien, war vorhersehbar. Doch die Ergebnisse der diesjährigen Wahlen sind immer noch schockierend und die neuen Machtverhältnisse im EP könnten große Auswirkungen auf viele wichtige EU-Projekte haben. Die Expertin Corina Stratulat vom European Policy Centre (EPC) sagt:

„Die Umwelt wird ein gefährdeter Sektor sein. Basierend auf der aktuellen Struktur des EP denke ich, dass auch Bereiche im Zusammenhang mit institutionellen Reformen, der EU-Erweiterung und sogar dem Verteidigungssektor betroffen sein könnten.“

Armida van Rij, Expertin bei Chatham House, glaubt, dass sich die größere Rolle rechtsextremer Parteien negativ auf die Einwanderungspolitik Europas auswirken wird. Demnach könnte die EuropäischeKommission gezwungen werden, einige kürzlich verabschiedete Reformen aufzugeben oder zu verschieben, wie etwa die Grenzsicherheitskontrolle und den obligatorischen Flüchtlingsverteilungsmechanismus. Der Plan, den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotoren in Europa ab 2035 zu verbieten, könnten ebenfalls aufgegeben werden. Währenddessen könnte die Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien möglicherweise durch den Bedarf an billigeren Brennstoffen wie Offshore-Öl und -Gas oder Kernenergie überfordert werden. Viele rechtsextreme Parteien in Europa haben sich schon immer gegen höhere Verteidigungsausgaben ausgesprochen. Dies könnte die ehrgeizigen Pläne der EU, einen Gemeinsamen Verteidigungsfonds aufzubauen oder die Unterstützung für die Ukraine zu erhöhen, behindern.

Schock aus Frankreich

Neben den langfristigen Auswirkungen auf viele wichtige EU-Projekte beeinflussen die diesjährigen Wahlen zum Europäischen Parlament auch die Politik vieler EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Frankreichs. Nach dem Sieg der Partei National Rally (RN) beschloss der französische Präsident Emmanuel Macron am Sonntagabend, das Parlament aufzulösen und am 30. Juni und 7. Juli vorgezogene Neuwahlen abzuhalten. Macron begründete seine Entscheidung damit, dass den Franzosen erneut das Wahlrecht gegeben werden müsse. Er erklärte zudem, dass er an die Weisheit der französischen Wähler glaube, um die Machtübernahme der rechtsextremen Partei RN zu verhindern. Viele Experten glauben jedoch, dass der französische Präsident ein riskantes Wagnis eingegangen ist. Da die RN-Partei derzeit große Chancen hat, die Parlamentswahlen in Frankreich zu gewinnen. Anne Muxel, Direktorin des Instituts für politische Studien zu Paris(Sciences Po Paris), sagt:

„Diese Entscheidung eröffnet in den nächsten drei Wochen tatsächlich eine Phase der Unsicherheit, wenn die französischen Wähler gezwungen sind, eine andere Wahl zu treffen. Diese Entscheidung ist auch sehr riskant, weil sie die Möglichkeit eröffnet, dass Rechtsextreme erstmals die Kontrolle über die Regierung übernehmen.“

Sollte die RN-Partei gewinnen und nach den nächsten Wahlen eine Mehrheit im französischen Parlament erringen, bleibt dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron kaum eine andere Wahl, als der RN-Partei das Recht zur Regierungsbildung zu geben. Dies führt zu einer neuen Situation des „politischen Zusammenlebens“ in Frankreich nach 27 Jahren. In Belgien musste der belgische Premierminister, Alexander De Croo, nach der Niederlage bei den gleichzeitig abgehaltenen Europa- und Bundestagswahlen am 10. Juni seinen Rücktritt erklären. In Deutschland wird das Scheitern der drei Parteien in der Regierungskoalition (SPD, Grüne, Liberaldemokratische Partei FDP) laut Experten die Führungsfähigkeit der Bundesregierung weiter schwächen.
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